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Biografie von Pravoslav Sovak

1926 – 1941

Kindheit und Jugend

Pravoslav Sovak wird 1926 in Vysoké Mýto/ Ostböhmen geboren. Er wächst in einem Haus auf, in dem Wert auf Literatur und Kunst gelegt wird. Die Familie zieht 1930 nach Pilsen um. Der Vater beginnt kurz vor dem Krieg Grafik tschechischer Symbolisten und Avantgardekünstler der Zwischenkriegszeit zu sammeln.

Pravoslav Sovak, der selber „die Beschäftigung mit der Kunst als eine Form, als eine Lebensmöglichkeit in jeder Sekunde seines Lebens, gleichzeitig aber auch als eine sehr intime Angelegenheit“ betrachtet, fertigt 1939, erst 13-jährig, die ersten Zeichnungen und Holzschnitte an. 1941 wird er im Protektorat Böhmen und Mähren von allen Gymnasien verwiesen.

1942 – 1944

Ausbildungszeit

Nach dem Besuch einer Privatschule für Grafik und Design in Prag (1942) beginnt er eine Ausbildung an der Keramikfachschule von Bechyně (Südböhmen), die er 1944 abschliesst.

Es sind wichtige Jahre, die ihn und sein gesamtes Schaffen nachhaltig prägen: Zum einen entwickelt er im Umgang mit Ton „den Respekt für jedes Grundmaterial“ und erwirbt aus den Schriften des österreichischen Architekten der Moderne, Adolf Loos, dessen ästhetische, anti-dekorative Ansichten; zum anderen lernt Sovak aus der Freundschaft ab 1943 mit Vincenc Kramář, Direktor der National-Galerie Prag, Freund von Picasso und Sammler mit höchstem Gespür für Qualität, u. a. Werke des Impressionismus und analytischen Kubismus` kennen.

Die Informationen waren mehr als spärlich in der Zeit des kalten Krieges. In den fünfziger Jahren war die Sperre für westliche Bücher und Zeitschriften absolut. Es war auch ausgeschlossen, in den Westen zu reisen. Über zehn Jahre lang war die Szene vollkommen kontaktlos, das einzige, wodurch man etwas wusste, waren einige Nummern von eingeschmuggelten Kunstzeitschriften, die in Prag zirkulierten, das war alles. Aber nicht alles, was man vom Westen erfuhr, war überraschend neu –und manches bestätigte Versuche und Anläufe, die man damals oder schon lange vorher in Prag gemacht hatte […].

Sovak (Tischgespräch mit W.G. Fischer) 1981, S. 21.

1945 – 1946

Arbeitseinsätze und Studium

Die politische Situation unterbricht die feinsinnigen, ästhetisch so wertvollen Begegnungen mit Kramář bis Kriegsende. Stattdessen folgt ein Totaleinsatz in einer Chemiefabrik und bei Befestigungsarbeiten an der Front in Ostmähren.

Gesundheitliche Gründe befreien ihn von der schweren Arbeit. Nach dem Abitur im Sommer 1945 in Prag besucht Sovak hier die Hochschule für Angewandte Kunst. Parallel dazu hört er Vorlesungen an der Karls-Universität über Philosophie und Ästhetik sowie Kunstgeschichte, u.a. bei Prof. V. Černý über Existentialismus und Prof. Mukařovský über strukturalistische Ästhetik.

Im Februar 1946 tritt Sovak mit einer eigenen Strassenperformance erstmals öffentlich in Erscheinung.

1946 – 1953

Künstler – Assistent – Arbeiter

Im Sommer 1946 reist er nach Paris, wo Aquarelle und Zeichnungen entstehen. Er übernimmt an der Fakultät für Kunsterziehung der Palacký Universität in Olomouc eine Assistentenstelle (1947) und besucht Vorlesungen bei Professor Markalous über Ästhetik und Philosophie.

Er verlässt die Palacky Universität 1949 – ein Jahr nach der kommunistischen Machtuebernahme.

In den kommenden Jahren zwischen 1950 bis 1953 malt und zeichnet Sovak nur noch selten: er arbeitet in der Prager Schwerindustrie, dann am Bau des Moldau-Staudamms, im Kohlebergwerk in Ostrava und im Stahlwalzenwerkbau in Kunčice.

Im Jahr 1953 kehrt er nach Prag zurück.

1954 – 1959

Prager Jahre und Auslandsreisen

In Prag setzt sich Sovak wieder vertieft mit der Malerei auseinander. Im Jahr 1957 zieht er in das Prager Stadtviertel Smíchov in unmittelbare Nähe der Kupferdruckerei Pegrassi, einer vor vielen Jahrhunderten eingewanderten italienischen Kupferdruckfamilie.

Sovak beginnt sich intensiv mit den Möglichkeiten der (Kaltnadel-)Radierung, einem grafischen Tiefdruckverfahren, zu beschäftigen. 1958 folgen Reisen nach Venedig und Ägypten. Trotz Ausreiseverbots nimmt er 1959 erstmals an Ausstellungen im Ausland (Klagenfurt, Wien) teil, im selben Jahr stellt er auch in Prag aus.

1960 – 1961

Druckgraphische Techniken

In dieser Zeit „malt und radiert (er) sein Thema: Die Stadt. Er malt sie auf seine eigene Art: antidekorativ und antiimpressionistisch… Alles muss die Linie tragen, und die Form… Eine Welt, in der sich der Mensch verliert, verloren geht in Strassen, die nirgendwohin führen.“ (Milan Kundera, 1959 zur Sovak-Ausstellung in Prag).

Diesem dominanten Thema wird sich Sovak jahrzehntelang zuwenden. 1960 entwirft er für das experimentelle Semafor-Theater Kostüme sowie Bühnenbilder und stattet Filme und Theaterstücke aus. Er reist nach Moskau und Leningrad.

Ab 1961 entstehen erste farbige Blätter und er erweitert die klassischen grafischen Techniken mit komplexeren Methoden (u.a. mit Hilfe von Lack).

1962 – 1967

Einzelausstellungen, Ankäufe, Auszeichnungen

1963 organisiert der Kunstverein in Kassel Sovaks erste Einzelausstellung, bedeutende Sammlungen (Staatliche und Städtische Kunstsammlung Kassel, Königliche Kupferstichsammlung Kopenhagen) tätigen erste Ankäufe.

Zu Studienzwecken hält er sich 1966 im Klee-Archiv in Bern auf und baut in Südböhmen eine alte Mühle zum Atelier um. Die Bekanntschaft mit dem Maler Mark Tobey, der einige Werke Sovaks erwirbt, führt zum intensiven Briefwechsel.

Infolge der Ausstellung „Vierzehn Grafiker aus Prag“ erhält er den Folkwang-Presse-Preis, 1967 den 1. Preis der Triennale der Farbgrafik in Grenchen/ Schweiz.

Eine längere Zusammenarbeit mit dem dänischen Lithographen Christian Sörensen entsteht.

1968 – 1969

Emigration und Übersiedelung in die Schweiz

Am 21. August 1968 (am Tag der Besetzung durch sowjetische Truppen) verlässt Sovak die Tschechoslowakei und emigriert nach Deutschland. Nach Vorbereitungen im Museum Folkwang in Essen lernt er bei einem mehrmonatigen Aufenthalt im Künstlerort Wamel bei Soest den Kupferdrucker Gert Schegulla kennen – es ist der Auftakt einer jahrzehntelangen Zusammenarbeit. Im Auftrag des Bucher-Verlags Luzern beginnt er mit Illustrationen zu Pavel Kohouts Tagebuch eines Konterrevolutionärs und Farbradierungen zu Graphisches Tagebuch (bis 1969). Die Schweiz gewährt ihm politisches Asyl, 1969 geht er nach Luzern. Nach einer Ausstellung am Kunstgewerbemuseum leitet er einen Aufbau-Studienkurs in Zürich.

1970 – 1972

Reisen in die USA und nach England

Die 1970er Jahre sind geprägt von regelmässigen Aufenthalten sowie Ausstellungsbeteiligungen in den USA und wiederholten Reisen durch die Wüsten Amerikas, die sich in zukünftigen Themen wie Walls und in Motiven zur Wüste in den nächsten Jahrzehnten niederschlagen.

Druck-Platten zum Thema Mikrokosmen (Entstehung ab 1967) werden bearbeitet und ergänzt. Sovak fertigt die ersten Farbradierungen für das 16-teilige Mappenwerk Indirect Messages an und beendet diese 1972.

Das Museum of Modern Art New York erwirbt diese Serie nach deren erstmaligen Ausstellung in der Rehn Gallery in New York.

Parallel zu der Arbeit an grafischen Platten entstehen Zeichnungen und Gouachen.

Das ist, wie wenn man atmet. Das ist etwas Selbstverständliches. Man bekommt eine Idee, ganz selbstverständlich, und folgt ihr. Kunst ist ein Prozess des ganzen Lebens. Das ist eine Lebenseinstellung, Sie werden bis zum letzten Atemzug nicht anders darüber denken oder etwas anderes machen.

Sovak, Pravoslav: „Kunst als Prozess des Lebens. Pravoslav Sovak im Gespräch mit Anna Friedrichson“, in: Sovak clearvision[s]. Catalogue raisonné 1995-2016, Ausst. Kat. Mannheim 2016, hrsg. von Ulrike Lorenz und Anna Friedrichson, München 2016, S. 18–21, hier: S. 18.

1973

Aufenthalte in Wüstengebieten

Im Herbst 1973 reist Sovak nach New York und in die Wüsten von Arizona, Utah und New Mexico. So findet er für die Wüste an der Grenze zu Nevada folgende Worte: „… Seitdem ich die Landschaft meiner Kindheit verlassen habe, bewege ich mich durch Städte, Zivilisation, Kulturland. Und allmählich in der Wüste; … Die Textur und Topographie der Wüste, ihre Weitsicht und weiten Horizonte: Dimensionen, denen keine politischen Grenzen gesetzt sind, die frei machen… Eine Landschaft, rein und karg, in der man im eigentlichsten Sinne zum Erdbewohner wird.“ (Sovak 1973). In einer Reihe von Arbeiten erfasst er in den folgenden Jahren mit Hilfe von rhythmischen Netzen das Thema Wüste, das ihn ins Spätwerk begleitet.

1975 – 1978

Professur in Deutschland, Aufenthalte in England, Wohnort in Hergiswil

1975 erhält der Künstler eine Professur für Freie Grafik an der Fachhochschule Köln für Kunst und Design (bis 1991). Während längerer Aufenthalte in London ab 1976 beginnt Sovak mit der Serie Museums-Blätter, die sich bis ins Jahr 2008 finden lassen (vgl. unveröffentlichte Fotogravüre/ Aquatinta Rodin, 1996-2008).

Sein künstlerisches Schaffen wird 1977 mit dem Preis der Biennale des Print Club in Philadelphia ausgezeichnet. Im Jahr darauf verlässt er Luzern und zieht nach Hergiswil (Kanton Nidwalden, Schweiz), das zum neuen Wohn- und Schaffensort wird. Hier hat er 1987 die schweizerische Staatsbürgerschaft und das Bürgerrecht von Hergiswil erhalten.

1979

Würdigungen und internationaler Durchbruch

Wissenschaftler und Autoren würdigen ihn und sein Werk weiterhin in zahlreichen Publikationen, einhergehend mit Ausstellungen in Europa und den USA, etwa Hilton Kramer in der New York Times: «In kleinen Formaten arbeitend, oft einen scharf gespitzten Bleistift mit der Geduld eines Heiligen gebrauchend, hat Pravoslav Sovak eine Serie von Aquarellen und Gouachen geschaffen, die weite Wüstenräume heraufbeschwören. Dennoch ist es nicht eigentlich der Raum der Natur (…). Die offenen, sandigen Fernen sind da, das zauberhafte, leere Licht ebenso, aber in Wahrheit ist es eine Wüste der Imagination, die der Künstler meint (…).» (25.3.1977, zit. in: Ausstellungskat. Kupferstichkabinett Berlin 1994, S. 190).

1980 – 1986

Zwischen Europa und den USA

Ab 1980 bis 1983 entstehen 5 Farbradierungen zum Mappenwerk Du fährst zu oft nach Heidelberg. Milan Kundera beschreibt Sovaks «Bleistift- und Aquarellarbeiten aus den Jahren 1975-1983» als «unglaublich, fast absurd reich an Details. Dieses aufs Bild gelegte Netz sagt, dass jeder beliebige Millimeter des Papiers ein Problem für sich selbst darstellt, über das monatelang meditiert werden kann.» (Kat. der Retrospektive im Mannheimer Kunstverein 1984).

Abermals reist Sovak durch die Wüsten im Westen der USA, hält sich in Arizona und Kalifornien auf (1985-86).

Es entstehen Werke, die seine Erlebnisse widerspiegeln: in präzisen Linienstrukturen über Farbflächen, die sich zu vibrierenden Räumen addieren.

1987 – 1990

Vertiefung von Themen, Reise durch Frankreich, Gründung des Freundeskreises

Weiterhin entstehen Werke, die eine geradezu sinnliche Schönheit offenbaren und in einen Raum entführen, der keine Zeitmessung und pulsierende Hektik kennt. Stattdessen wird ein Hauch von Ewigkeit spürbar. Ein intensives Betrachten ist notwendig, um die engmaschigen, Ordnung schaffenden Schraffuren und Netzstrukturen erfassen zu können. Staunend und bewundernd erahnen wir dann erst den Entstehungsprozess der Werke, der sich häufig über mehrere Jahre ausdehnt.

Weiterhin arbeitet er an der Serie Museums-Blätter. Eine Reise durch Frankreich (1988) in die Bretagne erweitert die Motivik. 1990 wird der Freundeskreis Pravoslav Sovak in Emmetten (Schweiz) gegründet, 2019 aufgelöst.

1991

Spätwerk, Aufenthalte in Paris

In einer Reihe von Blättern unter dem Titel Walls verarbeitet Sovak weiterhin das Thema Stadt/ Stadtarchitektur im Laufe der 1990er Jahre. Gebildet aus Rastern und abstrakten Mustern, die unendlich duplizierbar, aneinander reihbar die Stahl-Glas-Konstruktionen der Hochhäuser in urbanen Strukturen widerspiegeln, dokumentieren auch diese Blätter eine Art Wüste, allerdings eine architektonische, die sich der Gegenständlichkeit entzieht und ohne Mensch auskommt.

Es entstehen die ersten Blätter der Serie Beauties auf der Grundlage älterer Fotografien und unter dem Titel Installations Imaginaires in den nächsten fünf Jahren zahlreiche Farbradierungen. Sovak arbeitet zeitweise immer wieder in Paris.

1992 – 2008

Internationale Retrospektiven und digitale Drucke

Der Künstler wird 1992 mit dem Johann-Melchior-Wyrsch-Preis der Schindler Kulturstiftung Hergiswil ausgezeichnet und als mittlerweile international bekannter Künstler in wichtigen Retrospektiven geehrt.

Die Jahre nach der Jahrtausendwende zeigen, wie Sovak nach wie vor den klaren, ordnenden Rastern und Vernetzungen in vielfältigster Ausprägung Raum gibt. Pravoslav Sovak feierte 2006 seinen 80. Geburtstag. Er wendet sich einer weiteren, für ihn neuen aktuellen Technik zu: der digitalen Überarbeitung von Fotografien. Diese Digitaldrucke werden 2008 zum ersten Mal in München im Kunstfoyer der Versicherungskammer Bayern gezeigt.

2009 – 2012

Collagen: Rückblicke und Erinnerungen

2009 wurde ein allgemein zugängliches Archiv des Künstlers im Museum Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg aufgebaut.

In seinem 84sten Lebensjahr beginnt Sovak Collagen anzufertigen (2010 bis 2012): Fundstücke, Zitate, verbildlichte Erinnerungen verwebt er zu ganz persönlichen Bildern seiner eigenen Biographie mit Geschichten von Damals und Heute.

Auch im Spätwerk ist der hohe ästhetische wie handwerkliche Anspruch stets präsent: „Ich liebe Dinge, die mit dem feinsten Gefühl für Material, für die Möglichkeit eines Materials, für dessen Qualität und Bearbeitung gemacht sind. Ich liebe Dinge, an denen das Optische, Haptische und die Funktion, einfach alles stimmt“ (Sovak, 1974).

2014 – 2021

Hommagen, erste tschechische Retrospektive, Stiftungsgründung

Die Verdienste Sovaks auf dem Gebiet der Grafik wurden zwischen 2014 und 2018 mit Einzel-, Gruppenausstellungen, Retrospektiven sowie der ersten tschechischen Ausstellungsretrospektive in Prag im Museum Kampa gewürdigt. 2016 feierte der Künstler seinen 90. Geburtstag. Die Pravoslav-Sovak-Stiftung mit Sitz in der Schweiz wurde 2020 gegründet. Im Jahr 2021 feierte Pravoslav Sovak seinen 95. Geburtstag. Ihm zu Ehren präsentiert das Museum Kampa in Prag eine Ausstellungshommage. Sämtliche noch vorhandene Druckplatten aus Sovaks ehemaliger Druckwerkstatt in Wamel b. Soest (Deutschland) erhält das Kunstmuseum Zug (Schweiz).

2022

10. Juni 2022

Pravoslav Sovak starb mit fast 96 Jahren in seinem Haus in Hergiswil.

Pravoslav Sovak Stiftung

c/o lic.iur. Ralph Sigg
Obermattweg 12
CH-6052 Hergiswil, NW

info@sovak.ch

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